Predigt zu

Mose und seine Rolle im Dienst Gottes an seinem Volk – auf Unterstützung angelegt

Liebe Schwestern und Brüder,
es ist eine ganz eigenwillige Szenerie, die uns das Buch Exodus heute in der Ersten Lesung vor Augen gemalt hat. Unten in der Ebene das Volk Israel, genötigt zur Verteidigung gegen die Angreifer. Doch Mose nicht mitten drin oder vorne dran – als erster Kämpfer vor dem Herrn und Verteidiger seines Volkes –, sondern zusammen mit anderen oben auf dem Hügel.

Und der Fokus der Erzählung liegt nicht auf dem unten kämpfenden Volk, sondern auf Mose und seinem Geschick, von dem das Geschick des Gottesvolkes unten in der Ebene abhängt – davon, dass er seine Hände erhoben hält.

Mose erhebt hier seine Hände allerdings nicht zum Gebet zu Gott, so als ob der Sieg des Volkes davon abhängen würde, dass Mose genug Ausdauer im Gebet aufweisen würde; vielmehr muss die Analogie der Szenerie zum Meerwunder bedacht werden, als Mose mit dem Gottesstab das Meer spaltet, so dass das Gottesvolk angesichts der heranrückenden Ägypter trockenen Fußes durch das Meer schreiten kann; man wird die Szenerie in der heutigen Lesung also wie folgt interpretieren dürfen: Mose auf dem Hügel mit dem göttlichen Hirtenstab in der Hand die Hände ausbreitend über das Volk: Mose, Realsymbol der Gegenwart des göttlichen Hirten, der seinem Volk in Liebe beisteht und es durch die Wüste mit all ihren Gefahren ins Gelobte Land führt.

Das ist die Rolle, die Mose ausfüllen und übernehmen muss – nicht abgehoben vom Volk, sondern im Zugewandtsein zum Volk. Aber davon, dass er seine Rolle ausfüllt, hängt es ab, dass es mit dem Gottesvolk gut weitergeht.

Der Leitende Pfarrer und seine Rolle im Gefüge der Rollen im Seelsorgebereich und im Bistum – Unterstützer und Gegenspieler

Natürlich wäre es äußerst vermessen, ja fast blasphemisch, nun eine Linie direkt von Mose zum Leitenden Pfarrer eines Seelsorgebereiches zu ziehen. Und dennoch können wir manches in Analogie setzen.

Denn wie Mose seine ganz eigene Rolle hat – in Zuordnung und Unterstützung –, so haben auch die Leitenden Pfarrer der Seelsorgebereiche ihre eigene Rolle, die sie ausfüllen müssen. Wie Mose nicht der erste Kämpfer mitten im Geschehen der Auseinandersetzung mit den Angreifern ist, so ist auch der Leitende Pfarrer nur begrenzt in der pastoralen Arbeit vor Ort unmittelbar aktiv. Dafür hat er einen Schwerpunkt in Leitung und Verwaltung. Das entspricht schlicht seiner Rolle im Gefüge eines Seelsorgebereiches, in der jede und jeder seine eigene Rolle hat – das Pastoralteam mit seinen Mitgliedern mit ihren unterschiedlichen Charismen und pfarreiübergreifenden Zuständigkeitsbereichen, der Seelsorgebereichsrat, die Pfarrgemeinderäte, die Kirchenverwaltungen, der Gemeinsame Verwaltungsausschuss, die Ehrenamtlichen und Gläubigen insgesamt mit ihren je eigenen Rollen im Zusammenspiel innerhalb des Seelsorgebereiches. Seine Rolle zu kennen und seine Rolle auszufüllen in gegenseitiger Zuordnung und Unterstützung ist für das Zusammenleben und Zusammenwirken in unseren Kirchorten, Pfarreien und im Seelsorgebereich insgesamt äußerst wichtig. –

Mose braucht für seine spezielle Rolle Unterstützung, allein schafft er das nicht – nicht einmal mit dem göttlichen Hirtenstab in der Hand. Zunächst der Stein, auf den Mose sich setzen kann, dann das Stützen seiner Arme.

Sosehr Mose mit dem göttlichen Hirtenstab in der Hand hier Realsymbol der Gegenwart des göttlichen Hirten ist, so sehr ist er doch Mensch mit all seinen Schwächen und Begrenztheiten, der zur Ausführung seines Auftrages auch menschlicher Unterstützung bedarf.

Nach so einem Stein zum Draufsetzen und nach solchen Händen, die die eigenen Arme stützen, sehnt sich auch ein Leitender Pfarrer. Vor Ort finde ich die auch immer wieder in den Mitstreitern, für die ich sehr dankbar bin.

Und doch gibt es immer wieder Steine, die einem in den Weg gelegt werden, und Hände, die nicht stützen, sondern ein Stopp markieren, vor allem von Seiten der Bistumsleitung und verschiedener Stellen des Ordinariates. Während wir hier vor Ort in den Vorschriften und Regelungen, die uns auferlegt werden, nach dem lebendig machenden Geist suchen, werden sie uns allzu oft als tötender Buchstabe um die Ohren gehauen. Manchmal ist es schier zum Verzweifeln. –

Paulus und das „Geheimnis des Kreuzes“: Trost und Stütze für das eigene Wirken

Und da bin ich ganz bei Paulus, der heute in der Zweiten Lesung, die seinem Zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth entnommen ist, von den Tiefen und Höhen seiner eigenen Existenz erzählt: gebeutelt von den Strapazen der Glaubensverkündigung einerseits und andererseits doch geborgen im Glauben, gehalten in der Hand des Mitgehenden, Liebenden und alles Tragenden Gottes. Daraus schöpft er Kraft und Zuversicht im Hinblick auf die Herausforderungen seines Lebens und Wirkens, wie in seinem Hoffen auf eine Zukunft bei und in Gott. Paulus weiß darum: „das Übermaß der Kraft kommt von Gott und nicht von uns“.

Es sind diese Worte des Paulus, die wir heute gehört haben, die mir in meinem Wirken als Leitender Pfarrer in den letzten Jahren besonders häufig in den Sinn gekommen sind. Sie sind mir Trost und Stütze, spiegeln sie doch auch mein Erleben.

Zerrieben zwischen den Wünschen und Vorgaben der Bistumsleitung einerseits und den Anforderungen, Herausforderungen und Notwendigkeiten im Seelsorgebereich vor Ort andererseits. – Zerrieben also, und doch voll Hoffnung aufgrund der Perspektiven, die sich immer wieder auftun.

Geschlagen von so manchen, die an überkommenen äußeren Traditionen und althergebrachten Abläufen festhalten, als wären sie das Evangelium; die den Leitenden Pfarrer und die neuen Seelsorgebereiche verantwortlich machen für das, was doch schon lange vorher marode und dysfunktional war. – Geschlagen also, und doch voll Vertrauen in Gottes Wirken, weil mancherorts der Same aufgeht: Gemeinden, die sich aufmachen, in der kirchlichen Welt von heute anzukommen, um das Evangelium in Wort und Tat zu den Menschen zu bringen.

Gedrückt von der kirchlichen Großwetterlage. – Gedrückt also, und doch zuversichtlich, weil ich an verschiedenen Orten den unbändigen Elan der Ehrenamtlichen erleben darf.

Gottes aufrichtende Nähe, sie wird oft durch Menschen und zwischenmenschliche Begegnungen vermittelt. Und so möchte ich heute neben meiner Familie besonders den Rödentalern und Neustadtern danken. Ihr seid mir in den letzten gut 13 bzw. knapp 10 zur Heimat geworden, wo ich nicht nur der „Herr Pfarrer“ war und bin, sondern wo ich Mensch sein darf mit meinen Schwächen und Grenzen. In Rödental steht mein Pfarrhaus, das mit seinem ganzen Drumherum mir ein wichtiger Stützpunkt und Rückzugsort ist; da stehen meine Kirschbäume und Himbeersträucher, mein Apfelbaum, den ihr mir damals 2009 zur Einführung geschenkt hat und der heuer so viele und so gute Äpfel wie noch nie getragen hat. Weil ich also euch im Hintergrund und als Stütze habe, konnte ich 2019 Ja sagen zum Seelsorgebereich. Ihr habt mich in all den Jahren getragen, immer wieder auch ertragen. Ohne euch stünde ich heute nicht hier.

Unser Erzbischof rühmt sich ja, dass fast alle Leitenden Pfarrer nach den ersten drei Jahren 2019 bis 2022 in die Verlängerung gegangen sind. Doch wenn man sich untereinander austauscht, dann hört man immer wieder: „Was blieb uns denn anderes übrig!“ Um es bildlich auszudrücken: Der Weg ins Gelobte Land der neuen Seelsorgebereiche ist noch weit; wir können die uns anvertrauten Menschen jetzt nicht auf dem Weg mitten durch die Wüste allein lassen, auch wenn wir aus verschiedenen Gründen gerne das Weite suchen würden. –

Zurück zu Paulus. Dieser hat in besonderer Tiefe das Kreuz Jesu verstanden und Kreuz und Auferstehung Christi zum Ausgangspunkt seiner Theologie gemacht. Und er hat sich mit seinem eigenen Leben in diesem Koordinaten-System von Kreuz und Auferstehung Jesu verortet; dadurch konnte er auch das schreiben, was wir heute von ihm gehört haben, ja kann er sich sogar seiner Schwachheit rühmen, auf dass die Kraft Christi auf ihn herabkomme.

„Stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes“ – das gibt der Bischof bei der Priesterweihe den Weihekandidaten mit auf den Weg. „Stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes“ – Paulus ist mit seiner Theologie und seinem Leben als Bote Gottes mit all seiner menschlichen Schwachheit das beste Beispiel, wie das ausschauen und gelingen kann.

„Stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes“: Mir ist dieses Wort des Bischofs ein sehr wichtiges geworden, eigentlich schon immer gewesen. Und wie ein Präludium für meine Zeit als Leitender Pfarrer habe ich beim ökumenischen Sternwandergottesdienst aller Rödentaler Kirchengemeinden am 30. Juni 2019 unter anderem darüber mit Bezug auf Petrus und Paulus gepredigt.

Der „nackte“ Petrus – der verwandelte Petrus: Kraft aus der erinnerten Gegenwart des Herrn

Petrus begegnet uns heute im Evangelium. Auch auf ganz eigenwillige Weise. Nackt steht er da, ganz ohne Fische im Netz, als er dem Auferstanden am See begegnet. Und es braucht dann noch den Hinweis des Lieblingsjüngers, dass die Gestalt am Ufer, die ihm einen überreichen Fischfang beschert hat, der Herr ist.

Doch diese erkannte Gegenwart des Herrn verändert alles. Sie gibt Petrus die Kraft, das Netz mit den vielen Fischen ganz allein an Land zu ziehen; jenes Netz, das nicht ins Boot eingeholt werden konnte und von zwei Booten gezogen werden musste.

Erinnert zu werden an die Gegenwart des Auferstanden, an sein Herr- und Hirtesein, das kann uns immer neu Kraft, Richtung und Ziel geben. Deswegen müssen wir uns immer neu an die Gegenwart des Herrn erinnern und erinnern lassen, sie feiern und uns von ihm her senden lassen. Da schließt sich auch der Kreis zur Ersten Lesung.

Das Fischernetz des Petrus: Impuls zur Vernetzung im Seelsorgebereich und darüber hinaus

Das Fischernetz des Petrus wiederum, das trotz der vielen Fische nicht reißt, kann zu einem wichtigen Symbol werden für Kirche und unsere Seelsorgebereiche: Vernetzung als Chance, Vernetzung mit Gott, Vernetzung untereinander im Seelsorgebereich und darüber hinaus.

Vernetzung der Kirchengemeinden und Pfarreien mit ihren je eigenen Stärken, Charismen und lokalen Besonderheiten als Bereicherung für alle im Seelsorgebereich. Wir befinden uns in vielen Transformationsprozessen, auch in Rückzugsprozessen; doch wenn wir unsere Kräfte bündeln, uns konzentrieren auf das Evangelium einerseits und andererseits auf die jeweiligen Chancen vor Ort, und diese für alle fruchtbar machen, dann können wir uns alle wie in einem Netz gehalten erfahren. Das wären meine Hoffnung und Perspektive.

Nicht vergessen werden darf auch die Vernetzung im Bereich der Ökumene. Sie birgt ganz eigene Chancen, im Zusammenspiel vor Ort, in der Bereicherung der Sichtweisen, im gemeinsamen Sein als Kirche Jesu Christi in den Hausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Aus der Erinnerung mutig in die Zukunft

Mose – Paulus – Petrus: noch vieles könnte man zu ihnen sagen oder von ihnen ableiten. Für heute mag genug gesagt sein – für die Zukunft haben sich Perspektiven ergeben.

So lasst uns mutig als Gottesvolk in die Zukunft gehen und uns den Herausforderungen stellen.